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Die Krankheit mit den 1000 Gesichtern
Die Symptome bei einer Multiplen Sklerose könnten unterschiedlicher nicht sein. Welches Krankheitsbild sich einstellt, hängt davon ab, in welchem Areal des zentralen Nervensystems die Myelinscheide ( = Isolierschicht der Nervenfasern) geschädigt ist. Nicht zuletzt deshalb spricht man auch von "der Krankheit mit den 1000 Gesichtern”.
Auf einen Blick:
- Empfindungsstörungen
- Sehstörungen
- Störungen der Muskelfunktion
- Fatigue (abnorme Müdigkeit und Erschöpfung)
- langsame und schleppende Sprache
- Blasenentleerungsstörungen (Drangblase, Harninkontinenz, Harnverhalt)
- Darmentleerungsstörungen
- Sexuelle Störungen
- Psychische Erkrankungen, z.B. Depressionen
Die MS Symptome sind oft unspezifisch. Es ist daher nicht immer einfach, die Krankheit direkt zu erkennen. Auch die Ausprägung der Symptomatik ist von Person zu Person verschieden.
Nervenfasern entscheiden über Symptomatik
Zu Beginn treten die neurologischen Störungen bzw. Symptome in ca. 85 % der Fälle schubförmig auf ( = relapsing remitting MS). Ein Schub bezeichnet das erstmalige Auftreten oder die Reaktivierung bereits vorhandener Symptome und dauert in der Regel mindestens 24 Stunden bis hin zu wenigen Wochen. In der Phase zwischen zwei Schüben ist es anfangs durchaus üblich, dass sich die Symptome vollständig zurückbilden.
Welche Symptome ausgebildet werden, hängt stark damit zusammen, welche Nervenfasern betroffen sind. Man unterscheidet zwischen sensorischen Symptomen (Empfindungsstörungen) bei einer Schädigung der Nervenfasern für Sinnesinformationen und motorischen Symptomen (Bewegungsstörungen) bei einer Demyelinisierung der Nervenfasern für die Signalweiterleitung an die Muskeln.
Frühsymptome
Zu den ersten Anzeichen von MS ( = Frühsymptome) zählen z.B. Empfindungsstörungen, Sehstörungen sowie Beeinträchtigungen der Muskelfunktion. Diese treten im Durchschnitt zwischen dem 20. und 35. Lebensjahr auf, wobei Frauen doppelt so häufig betroffen sind wie Männer. Bereits beim ersten Anzeichen eines solchen Symptoms sollte ein Arzt zur Abklärung der Ursache aufgesucht werden, sofern noch nicht geschehen.
Empfindungsstörungen (Parästhesien)
Bei fast allen MS-Patienten treten früher oder später Empfindungsstörungen auf. Als Erstsymptom führen circa 40 % der Betroffenen Empfindungsstörungen auf. Diese können sich wie folgt äußern:
- Taubheitsgefühle oder Kribbeln an Armen und Beinen
- gestörte Berührungswahrnehmung (Berührungen werden nicht mehr oder aber verstärkt wahrgenommen)
- sensibles Temperaturempfinden aufgrund Verschlimmerung der Symptome bei Hitze oder Fieber durch verlangsamte Reizweiterleitung (Uhthoff-Phänomen)
Sehnervenentzündung (Optikusneuritis)
Auch Sehstörungen gelten als klassisches Erstsymptom bei MS. Hier handelt es sich meist um eine Sehnervenentzündung (Optikusneuritis). Es kann zu folgenden Beschwerden kommen:
- Schmerzende Augen mit Verstärkung bei Augenbewegung
- Beeinträchtigung des Farbsehens
- Sehen auf einem Auge wie durch Nebel oder Schleier
- Wahrnehmung von Lichtblitzen
- Ausfall des Gesichtsfeldes
Das Sehen von Doppelbildern kann ebenfalls ein Symptom sein. Hier liegt jedoch keine Sehnervenentzündung vor, sondern eine Lähmung der Augenmuskulatur.
Beeinträchtigung der Muskelfunktion
Knapp 15 % der Betroffenen klagen als Erstsymptom über eine Beeinträchtigung der Muskelfunktion, welche verschiedenste Ausprägungen haben kann. Darunter fallen:
- Beeinträchtigung der aktiv gesteuerten Bewegung ( = Willkürmotorik)
- Beeinträchtigung der unbewusst arbeitenden Muskeln ( = z.B. Blase oder Darm)
- Schnelle Muskelermüdung
- Lähmung (komplett oder inkomplett) der betreffenden Muskeln
- Verkrampfte, steife Muskeln ( = Spastik)
- Beeinträchtigung des Gleichgewichts
Symptome im weiteren Verlauf von MS
Die drei oben aufgeführten Symptome sind lediglich diejenigen, welchen von Betroffenen u.a. als Erstsymptome genannt wurden. Es gibt jedoch zahlreiche weitere Beeinträchtigungen, welche MS-Patienten über die Jahre heimsuchen können.
Fatigue-Syndrom
Worunter fast 96 % der Patienten leiden, ist das sogenannte Fatigue-Syndrom. Dieses bezeichnet einen dauerhaften Ermüdungs- und Erschöpfungszustand sowie starke Antriebslosigkeit.
Sprachstörungen / Wortfindungsstörungen
68 % der Betroffenen leiden an Sprachstörungen, ausgelöst durch Schäden am Kleinhirn. Die Patienten können sich nur langsam und schleppend mitteilen.
Blasenschwäche und Harnverhalt
Ein weiteres Symptom, von dem 87 % betroffen sind, ist Blasenschwäche. Hierbei leiden Patienten anfangs eher unter ständigem Blasendrang und Inkontinenz - bei fortschreitendem Verlauf kann sich dies ins Gegenteil, dem Harnverhalt (Schwierigkeiten beim Wasserlassen), umschlagen.
Darmentleerungsstörungen
Darmentleerungsstörungen sind ebenfalls weit verbreitet. Meist handelt es sich hierbei um Verstopfung (Stuhlgang weniger als 2x wöchentlich, mit starkem Pressen verbunden).
Sexuelle Störungen
Auch unter sexuellen Störungen können Personen mit MS leiden. Dazu zählen Erektionsprobleme bei Männern sowie Scheidentrockenheit und gestörte Wahrnehmung von Berührungen an Klitoris und Scheide bei Frauen. Von Libidoverlust und Schmerzen beim Sex können beide Geschlechter geplagt sein.
Psychische Probleme
Die psychische Gesundheit steht bei MS-Patienten ebenfalls im Fokus. Man schätzt, dass knapp 50 % der Betroffenen im Laufe der Zeit eine Depression entwickeln, die es zusätzlich zur Diagnose MS zu behandeln gilt.
Achtung: Nicht bei jedem Patient mit der Diagnose MS bilden sich automatisch alle genannten Symptome aus. Diese können vereinzelt auftreten oder aber in sämtlichen Kombinationen. Aus diesem Grund ist eine pauschale Aussage über Prognose und Verlauf einer Multiplen Sklerose kaum möglich.