Die Fachwelt unterteilt die medikamentöse Therapie von Multipler Sklerose in drei Bereiche: Basistherapie, Schubtherapie und symptomatische Therapie. Die Basistherapie konzentriert sich dabei auf die Verlangsamung des Krankheitsverlaufs, die Schubtherapie auf die Behandlung akuter Schübe und die symptomatische Therapie zielt darauf ab, die Progression von Behinderungen zu verlangsamen, Entzündungen im zentralen Nervensystem zu reduzieren und die Lebensqualität der Patienten langfristig zu verbessern.
Über die Basistherapie, die Schubtherapie und die symptomatische Therapie bei MS finden Sie bereits viele informative Beiträge auf vertrauenswürdigen Websites, wie etwa jeder der Deutschen Multiple-Sklerose-Gesellschaft, Bundesverband e.V. oder der Marianne Strauss Fachklinik für MS. Wir wollen Sie hier mit den verschiedenen Wirkmechanismen der medikamentösen Therapien besser vertraut machen.
Drei wichtige Wirkmechanismen und weitere Therapieansätze
Die wichtigsten medikamentösen Therapieansätze lassen sich grob in drei Gruppen einteilen, wobei die verwendeten Medikamente über drei unterschiedliche Wirkmechanismen verfügen:
- Immunmodulatoren
- Immunsuppressiva
- Antikörper-Therapie
Bei allen drei genannten Therapien handelt es sich um eine Form der Immuntherapie.
Weitere Therapieansätze zur Behandlung von MS
Zusätzlich gibt es weitere Medikamente, die zur Behandlung von Multipler Sklerose eingesetzt werden können. Die Wahl des Therapieansatzes hängt von der Schwere und Art der MS sowie den Wechselwirkungen und dem Ansprechen auf die jeweilige Behandlung ab.
- Kortikosteroide
- Symptomatische MS-Therapie
- Plasmapherese (Plasmaaustausch)
- Stammzelltherapie
Die Immunmodulation
Bei der Immunmodulation wird das Immunsystem medikamentös reguliert, ohne es vollständig zu unterdrücken. In den meisten Fällen handelt es sich bei Immunmodulatoren um synthetische Proteine oder kleine Moleküle, welche die Aktivität entzündungsfördernder Zellen (T-Zellen und B-Zellen) hemmen. Die Immunmodulation reduziert die Schubraten und die Entzündungsaktivität im Gehirn und verringert damit das Risiko von Schäden.
Die Verabreichung von Immunmodulatoren
Je nach Wirkstoff und Indikation können Immunmodulatoren auf unterschiedliche Weise verabreicht werden. Einige MS-Medikamente (z.B.: Fingolimod und Teriflunomid) werden oral eingenommen, andere (z.B.: Interferone und Glatirameracetat) wiederum werden als subkutane Injektionen verabreicht und wieder andere können als intravenöse Infusionen verabreicht werden. In seltenen Fällen können je nach Wirkstoff und Anwendungsbereich auch Nasensprays oder Rektalsuppositorien zur Anwendung kommen.
Die Immunmodulation: Einsatz bei mildem oder moderatem Verlauf
Die Immunmodulation ist in der Regel wirksam bei der Behandlung von schubförmiger MS und wird im frühen Stadium der Erkrankung, bei mildem bis moderatem Verlauf der Krankheit, eingesetzt. Die Wirksamkeit von immunmodulatorischen Medikamenten ist jedoch von Patient zu Patient unterschiedlich.
Die Immunsuppression
Die Immunsuppression hemmt das Immunsystem. Die eingesetzten Medikamente verfügen über eine stärkere Wirkung als Immunmodulatoren und haben das Ziel, die Aktivierung der Immunzellen unterdrücken, die Freisetzung von entzündungsfördernden Zytokinen zu reduzieren oder die Kommunikation zwischen Immunzellen zu stören. Dies reduziert die Entzündungsreaktionen im Körper und den Angriff auf körpereigenes Gewebe. Auf diese Weise können Immunsuppressiva die Schubraten und die Schwere der Schübe verringern.
Die Verabreichung von Immunsuppressiva
Viele Immunsuppressiva werden als intravenöse Infusion verabreicht. Es gibt jedoch auch immunsuppressive Wirkstoffe, die subkutan unter die Haut injiziert oder oral eingenommen werden.
Der Unterschied zwischen Immunsuppressiva und Immunmodulatoren ist nicht immer eindeutig. Einige Medikamente in der obigen Liste (z.B.: Cladribin) verfügen sowohl über eine immunmodulatorische als auch eine immunsuppressive Wirkung.
Folgende Wirkstoffe gehören (unter anderem) zur Gruppe der Immunsuppressiva:
- Fingolimod (z.B.: Gilenya von Novartis)
- Interferon beta (z.B.: Plegridy von Biogen, Rebif von Merck)
- Cladribin (z.B.: Mavenclad von Merck)
- Siponimod (z.B.: Mayzent von Novartis)
- Dimethylfumarat (z.B.: Tecfidera von Biogen)
- Ozanimod (z.B.: Zeposia von Bristol Myers Squibb)
- Teriflunomid (z.B.: Aubagio von Sanofi Genzyme)
Die Antikörper-Therapie
Immunsuppression, Immunmodulation und Antikörper-Therapie haben ein gemeinsames Hauptziel, nämlich den Angriff auf körpereigenes Gewebe und entzündliche Prozesse zu reduzieren. Alle drei Methoden werden in der verlaufsmodifizierenden Therapie eingesetzt, um die Progression der MS zu verlangsamen. Es handelt sich um langfristige Behandlungsmethoden, die regelmäßig wiederholt werden. Der Unterschied der drei Therapieansätze besteht in der Art und Weise, wie sie das Immunsystem beeinflussen.
Die Antikörper-Therapie ist der einzige der drei genannten Therapieansätze, in der mit Antikörpern verfahren wird. Während bei der Immunmodulation das Immunsystem gedämpft und bei der Immunsuppression unterdrückt werden soll, richtet sich das Ziel der Antikörper-Therapie darauf aus, das Immunsystem entweder zu blockieren oder zu aktivieren. Sie wird in der Regel erst dann in Betracht gezogen, wenn Immunmodulation und Immunsuppression nicht die erhoffte Wirkung zeigen oder nicht vertragen werden. Die Antikörper-Therapie kann das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen und Schübe reduzieren, insbesondere bei Patienten mit schwerem Verlauf.
Folgende Wirkstoffe kommen (unter anderem) bei der Antikörper-Therapie zum Einsatz:
- Ocrelizumab (z.B. Ocrevus von Roche)
- Rituximab (z.B. MabThera von Roche)
- Natalizumab (z.B. Tysabri von Biogen)
- Ofatumumab (z.B.: Kesimpta von Roche)
Kortikosteroide
Die Kortikosteroid-Therapie ist eine Art von Hormontherapie. Es handelt sich dabei um synthetische Hormone, die entzündungshemmende Eigenschaften besitzen. Sie können entweder als intravenöse Infusion oder in Form von Tabletten verabreicht werden.
Die Kortikosteroid-Therapie wird eingesetzt, um die Dauer und Schwere eines akuten Schubs zu reduzieren (Schubtherapie). Zur langfristigen Behandlung (verlaufsmodifizierte Therapie) sind Kortikosteroide nicht geeignet. Ihre Wirkung ist vorübergehend.
Wirkstoffe aus der Gruppe der Kortikosteroide sind unter anderem:
- Prednison (z.B. Decortin von Merck)
- Dexamethason (z.B. Dexacortin von Hexal)
Symptomatische MS-Therapie
Es gibt viele Medikamente, die zur symptomatischen Therapie bei Multipler Sklerose eingesetzt werden, darunter zum Beispiel Muskelrelaxantien zur Behandlung von Spastizität, Antidepressiva zur Behandlung von Depressionen, Antiepileptika zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen und Trigeminusneuralgie, Blasenmedikamente zur Behandlung von Harnproblemen und Augenmedikamente zur Behandlung von Sehstörungen.
Ein neuer Wirkstoff: Ublituximab
Eines der neueren Wirkstoffe ist Ublituximab. Dabei handelt es sich um einen Wirkstoff, der primär zur Antikörper-Therapie bei (hoch-)aktiver, schubförmiger MS eingesetzt wird. Seine Wirkung kann jedoch auch als immunmodulatorisch bezeichnet werden. Ublituximab reguliert die Immunaktivität, ohne sie vollständig zu unterdrücken. In den USA ist das Präparat seit Anfang 2023 zugelassen und unter dem Namen “Briumvi” erhältlich und wird in halbjährlichen Abständen als intravenöse Infusion verabreicht. Die Weichen für die Zulassung wurden im März 2023 auch in Europa gestellt.
Für detaillierte Informationen zu Verabreichung, Wirkung und Nebenwirkungen unterschiedlicher Wirkstoffe bei Multipler Sklerose empfehlen wir, auf die Ressourcen der Deutschen Multiple-Sklerose-Gesellschaft, Bundesverband e.V. zurückzugreifen. Bei diesem Anbieter handelt es sich um die bundesweit größte Organisation, die sich speziell für die Belange von Patienten mit MS einsetzt. Sie stellt vertrauenswürdige Patientenhandbücher und verständliche Informationsseiten zum Thema “Medikamentöse Therapie bei MS” zur Verfügung. Nutzen Sie auch die Beipackzettel-Suche der Apotheken-Umschau oder die online bereitgestellten Beipackzettel des jeweiligen Herstellers, um sich über die Wirkungen und Nebenwirkungen der hier aufgeführten Medikamente zu informieren.
Andere Therapieansätze bei MS
Weitere Therapieansätze zur Behandlung von Multipler Sklerose sind die Plasmapherese (Plasmaaustausch) und die Stammzelltherapie. Neben diesen Therapieansätzen sind auch nicht-medikamentöse und nicht-invasive Therapien wie Ergotherapie, Psychotherapie, Akupunktur, Sporttherapie, Physiotherapie und Logopädie wirksame Ansätze zur Verbesserung der Lebensqualität von MS-Patienten. Ziel dieser Therapiekonzepte ist die Verbesserung und der Erhalt körperlicher und geistiger Funktionen wie der Koordination und des Gleichgewichts oder der Sprachfunktionen sowie die Linderung von Gelenkschmerzen. Nichtmedikamentöse und nicht-invasive Therapien helfen auch dabei, emotionale und soziale Auswirkungen von Multipler Sklerose wie etwa Angst, Depression und soziale Isolation zu reduzieren.
Fragen und Antworten zum Thema
Welche Therapieansätze gibt es bei MS?
Es gibt verschiedene Therapieansätze bei Multipler Sklerose (MS), darunter Immunmodulation, Immunsuppression, Antikörper-Therapie, Kortikosteroid-Therapie, symptomatische Therapie, Plasmapherese (Plasmaaustausch) und Stammzelltherapie.
Was ist der Unterschied zwischen Immunmodulation, Immunsuppression und Antikörper-Therapie?
Immunmodulation reguliert das Immunsystem, ohne es vollständig zu unterdrücken. Immunsuppression hemmt das Immunsystem stärker, während die Antikörper-Therapie das Immunsystem entweder blockiert oder aktiviert. Die Wahl des Therapieansatzes hängt von der Schwere und Art der MS sowie den individuellen Umständen des Patienten ab.
Welcher Therapieansatz wird bevorzugt für die Behandlung akuter Schübe bei Multipler Sklerose angewendet?
Kortikosteroide, wie Methylprednisolon, werden häufig zur Behandlung akuter Schübe bei Multipler Sklerose eingesetzt.
Welcher Therapieansatz wird vorrangig zur Anwendung in der verlaufsmodifizierenden Therapie bei Multipler Sklerose eingesetzt?
Verlaufsmodifizierende Therapieansätze umfassen Immunmodulation, Immunsuppression und Antikörper-Therapie. Die Wahl des Therapieansatzes hängt von der Art und Schwere der MS sowie von den individuellen Umständen des Patienten ab.
Welche Medikamente gibt es für MS?
Es gibt viele Medikamente zur Behandlung von MS, einschließlich Immunmodulatoren, Immunsuppressiva und Antikörpern.
Wie heißt das neue Medikament für MS?
Ein neueres Medikament für MS ist Ublituximab (Handelsname Briumvi), das in den USA seit Anfang 2023 zugelassen ist und in Europa die Zulassung erwartet.
Was passiert, wenn man bei MS keine Medikamente nimmt?
Ohne medikamentöse Behandlung könnten sich bei MS-Patienten Schübe häufiger und schwerwiegender entwickeln, und die Krankheit könnte schneller fortschreiten.
Ist die Plasmapherese (Plasmaaustausch) eine anerkannte Therapie bei MS?
Die Plasmapherese ist eine anerkannte, aber weniger häufig angewendete Therapie bei MS, die insbesondere bei schweren Schüben oder bei Patienten eingesetzt wird, die auf konventionelle Therapieansätze nicht ansprechen.
Ist die Stammzelltherapie eine anerkannte Therapie bei MS?
Stammzelltherapie, insbesondere die autologe hämatopoetische Stammzelltransplantation (AHSCT), ist eine anerkannte, aber aggressive Therapieoption für ausgewählte MS-Patienten mit schnell fortschreitender und aggressiver MS, die auf konventionelle Therapieansätze nicht ansprechen.