Verlassen Sie sich nicht allein auf Medikamente, sondern nutzen Sie die großartigen Ressourcen Ihres eigenen Körpers! Erfahren Sie hier, welche Verbesserungen mit regelmäßiger Physiotherapie möglich sind.
Das Gehirn kann sich jederzeit neu strukturieren
Obwohl Multiple Sklerose gegenwärtig noch als unheilbare Krankheit betrachtet wird, sind kognitive und motorische Verbesserungen jederzeit möglich. Seit der Entdeckung der Neuroplastizität wissen wir, dass das Gehirn (und damit auch das Nervensystem) die beeindruckende Fähigkeit besitzt, sich jederzeit umzustrukturieren und anzupassen. Erwirbt der Körper neue Fähigkeiten, entstehen im Gehirn neue neuronale Strukturen. Durch Wiederholung werden diese gestärkt.
Physiotherapeutische Übungen bieten die Chance, bereits vorhandene, nützliche Muster gezielt zu verstärken. Daher empfiehlt es sich, möglichst frühzeitig nach der Diagnose von Multipler Sklerose mit einer gezielten Physiotherapie zu beginnen, um das volle Potenzial der körpereigenen Anpassungsfähigkeit auszuschöpfen.
Ziele und Anwendungen
Schmerzen lindern
Koordination verbessern
Gleichgewichtskontrolle verbessern
Sekundärerkrankungen vorbeugen
Fatigue bewältigen
Immunsystem stärken
Hilfsmittel anwenden lernen
Stress bewältigen
Leistungsfähigkeit steigern
Gängige physiotherapeutische Maßnahmen
Die Wärmetherapie
Die Wärmetherapie verbessert die Durchblutung und löst Muskelverspannungen, was dazu beiträgt, Schmerzen zu lindern. Zu den wärmetherapeutischen Behandlungsmethoden gehören zum Beispiel Fango- und Moorpackungen,hydroelektrische Bäder, Infrarottherapie, heiße Wickel oder Anwendungen mit Heißluft.
Die Kältetherapie
Die Kältetherapie wird zur Behandlung von Verletzungen und zur Reduzierung von Entzündungen eingesetzt. Zu den Kältetherapien gehören unter anderem Kältebäder und die Kryotherapie.
Die Massagetherapie
Bei der Massagetherapie werden mittels manueller Techniken Muskelverspannungen gelöst und die Durchblutung gefördert. MS-Patienten profitieren von einer verbesserten Sauerstoff- und Nährstoffversorgung im Gewebe, was zu einer verbesserten Beweglichkeit führt. Neben der klassischen Massage gehören etwa die craniosacrale Therapie, die Bindegewebsmassage und die Unterwasserdruckstrahlmassage zu den gängigen Massagetherapien.
Die Manuelle Lymphdrainage
Die manuelle Lymphdrainage gehört mit zu den Massagetherapien. Im Unterschied zu anderen Massagetherapien handelt sich dabei jedoch um eine sanfte Methode zur Entstauung der Lymphe und zur Verbesserung der Lymphzirkulation. Die Anwendung reduziert Schwellungen, fördert die Durchblutung und stärkt die Immunfunktion.
Sensomotorische Übungen
Sensomotorische Übungen verringern Schmerzen, verbessern die Körperkontrolle und führen zu einer verbesserten Koordination und zu mehr Gleichgewicht. Gleichzeitig ist es ein Training für mehr Muskelkraft und Ausdauer. Zu den sensomotorischen Übungen gehören propriozeptive Übungen, welche die Wahrnehmung von Gelenkpositionen verbessern, Balance-Übungen, Gangtraining sowie Kraft- und Ausdauertraining.
Bäder mit Peloiden
Peloide sind heilende Substanzen (z.B.: Fango, Moor oder Schlick), die dazu beitragen, Muskelverspannungen zu lösen, die Durchblutung zu fördern und Schmerzen zu verringern.
Die Elektrotherapie
Bei der Elektrotherapie (oder Elektrostimulation) werden elektrische Impulse in den Körper abgegeben. Das lindert Schmerzen, beugt Muskelschwund vor und verbessert die Beweglichkeit (etwa bei Lähmungen). Zur Elektrotherapie gehören unter anderem TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation), IFT (Interferenzstromtherapie), EMS (elektrische Muskelstimulation) und das hydroelektrische Bad. Die Anwendungen sind nicht schmerzhaft.
Kohlensäurebad und Kohlensäuregasbad
Beide Anwendungen werden oft in der Kardiologie und in der Dermatologie eingesetzt. Sie senken den Blutdruck, wirken durchblutungsfördernd und entspannend auf die Muskulatur und lindern Schmerzen.
Das Koordinationstraining
Das Koordinationstraining verbessert den Gleichgewichtssinn, die Motorik und die allgemeine körperliche Leistungsfähigkeit. Zum Koordinationstraining gehören unter anderem Balance-Übungen, Ballspiele und Zirkeltraining.
Das Gleichgewichtstraining
Das Gleichgewichtstraining führt zu einem verbesserten Gleichgewichtssinn und vermindert das Sturzrisiko. Zum Gleichgewichtstraining werden unter anderem Balanceübungen, das Gangtraining, Tai Chi und Yoga gezählt. Tai Chi und Yoga fördern zusätzlich die Entspannung, verbessern die Koordination und führen zu einer verbesserten Körperhaltung. Beim Gangtraining wird gezielt am Gehen gearbeitet, um Koordination und Balance zu erhalten oder wiederherzustellen.
Die Bewegungstherapie
Die Bewegungstherapie fördert die allgemeine Fitness, Beweglichkeit, Kraft und Ausdauer, was zu einer verringerten Schmerzwahrnehmung führt. Regelmäßige Bewegungstherapie wirkt Muskelatrophie (Muskelschwund) und Kontrakturen (anhaltende Muskelverkürzungen) entgegen und hilft dabei, Fatigue zu überwinden. Es gibt viele unterschiedliche Arten von Bewegungstherapie, zum Beispiel Krankengymnastik, Feldenkrais, die Bobath-Methode, die Vojta-Therapie, die PNF-Therapie, Neurac, die Traktionsbehandlung, geräteunterstütztes Krafttraining zum Muskelaufbau, Gewichtstraining, Körpergewichts- oder Dehnübungen.
Die Chirogymnastik
Die Chirogymnastik ist eine physiotherapeutische Methode zur Korrektur von Fehlhaltungen und Verbesserung der Beweglichkeit. Es hilft dabei, Gelenk- und Haltungsproblemen vorzubeugen oder diese zu verbessern. Zur Chirogymnastik gehören unter anderem Streck- und Beugeübungen sowie Dreh- und Mobilisationsübungen.
Gerätegestützte Krankengymnastik
Die geräteunterstützte Krankengymnastik ist eine Art der Bewegungstherapie, welche die Muskelkraft erhöht und die Bewegungsfähigkeit stärkt. Zu den Geräten, die eingesetzt werden, zählen unter anderem Seilzuggeräte, Therapiekreisel und Therapiegeräte mit Widerstand.
Das Beckenbodentraining
Das Beckenbodentraining wird zur Vorbeugung oder Behandlung von Harn- und Stuhlinkontinenz eingesetzt und verbessert die sexuelle Gesundheit. Zu dieser Methode gehören unter anderem Kegel-Übungen, Biofeedback oder elektrische Stimulation.
Nordic-Walking
Nordic-Walking trainiert sowohl die Oberkörper- als auch die Unterkörpermuskulatur und fördert die allgemeine Beweglichkeit. Durch die Bewegung an der frischen Luft trägt diese Methode zur Stärkung des Immunsystems bei und hilft, Fatigue zu überwinden.
Das Wahrnehmungs- und Entspannungstraining
Das Wahrnehmungs- und Entspannungstraining reduziert Stress und verbessert das eigene Körpergefühl. Durch die Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens trägt es zur Stärkung des Immunsystems bei. Zum Wahrnehmungstraining gehören unter anderem die Vibrationstherapie und die reflektorische Atemtherapie.
Neue Formen der Physiotherapie
Akrodynamik
Bei der Akrodynamik werden Übungen mit den Armen und Beinen in sitzender oder stehender Position ausgeführt. Die Methode stärkt die Muskulatur und verbessert die Gleichgewichtsfähigkeit.
McMillan
McMillan ist eine sanfte manuelle Therapieform, die dazu beiträgt, die Beweglichkeit von Muskeln und Gelenken zu erhalten oder wiederherzustellen. McMillan löst Muskelverspannungen, reduziert Schmerzen und Steifheit.
Hippotherapie
Die Hippotherapie fördert den Gleichgewichtssinn und die Muskelkraft durch Übungen, die am Pferd ausgeführt werden.
Forced-used CIMT
Bei CIMT (Constraint-Induced Movement Therapy) werden Extremitäten mit Manschetten fixiert, um andere Körperteile besser trainieren zu können. Die Forced-used CIMT Methode ist eine intensivere Form von CIMT, welche im Alltag über mehrere Stunden pro Tag ausgeführt wird. Dies trainiert die neuronale Plastizität, indem es das Bewusstsein für die betroffene Extremität verbessert, was zu einer Verbesserung der Beweglichkeit führt.
Neuroreha
Neuroreha ist eine Kombination aus Physiotherapie, Ergotherapie und Sprachtherapie, welche die Neurogenese anregt. Durch das intensive Programm werden kognitive, motorische und sensorische Fähigkeiten geschult, was dazu führt, dass sich neue Synapsen im Gehirn bilden.
NAP
Auch bei NAP (Neuromuskuläre Arthroossäre Plastizität) geht es darum, die neuromuskulären Funktionen zu verbessern, indem durch gezielte Übungen die Bildung neuer Synapsen im Gehirn angeregt wird. NAP führt zu mehr Gelenkbeweglichkeit und somit zu einer Verringerung von Schmerzen.
Einen Physiotherapeuten finden
Um einen geeigneten Physiotherapeuten zu finden, der in Ihrer Nähe tätig ist, können Sie die bundesweite Physiotherapeutensuche des Deutschen Verbands für Physiotherapie (ZVK), die Therapeutensuche des Bundesverbands selbstständiger Physiotherapeuten (IFK) oder des Verbands für Physiotherapie (VPT) nutzen. Der GKV Spitzenverband stellt zudem eine Heilmittelbringerliste mit allen Therapeuten zur Verfügung, die einen Vertrag mit den Kassen haben.
Fragen und Antworten zum Thema
Wie sieht eine auf MS spezialisierte Physiotherapie aus?
Eine speziell auf MS-Patienten abgestimmte Physiotherapie setzt sich aus mehreren Methoden zusammen und bewegungstherapeutische, thermotherapeutische elektrotherapeutische und entspannungstherapeutische Maßnahmen beinhalten.
Wann hilft Physiotherapie bei MS?
Physiotherapie hilft zu jeder Zeit. Je früher jedoch mit der Physiotherapie begonnen wird, desto besser können Einschränkungen, Schmerzen und Sekundärerkrankungen vorgebeugt oder behandelt werden.
Wie bekomme ich eine Physiotherapie bei MS?
Physiotherapie wird vom Arzt verordnet.
Was tun, wenn der Arzt kein Rezept dafür ausstellt?
Wenn der Arzt keine Verordnung für eine Physiotherapie ausstellt, kann eine Zweitmeinung eingeholt werden.
Was bringt Physiotherapie bei Multipler Sklerose?
Physiotherapeutische Maßnahmen können zur Linderung von Schmerzen, zur Verbesserung der Koordination und des Gleichgewichts, zur Förderung der Durchblutung, zur Vorbeugung von Sekundärerkrankungen, zur Bewältigung von Stress und Fatigue, zur Steigerung der Leistungsfähigkeit und zur Stärkung des Immunsystems beitragen.
Was ist die beste Therapie bei MS?
Da MS unterschiedliche Verlaufsformen hat und sich bei jedem Patient in anderer Weise zeigt, gibt es keine einzelne therapeutische Behandlungsmethode, die als “die beste bei MS” bezeichnet werden kann. Physiotherapeutische Maßnahmen können dazu beitragen, Schmerzen zu lindern, die Koordination und das Gleichgewicht zu verbessern, die Durchblutung zu fördern, Sekundärerkrankungen vorzubeugen, Stress und Fatigue zu bewältigen, die Leistungsfähigkeit zu steigern und das Immunsystem zu stärken.
Wie oft Physiotherapie bei MS?
Regelmäßige physiotherapeutische Maßnahmen sollten ein Mal wöchentlich ausgeführt werden.
Was übernimmt die Krankenkasse bei MS?
Die meisten hier genannten Therapien (mit Ausnahme der neuen Formen) werden von den Krankenkassen finanziert. Genaueres dazu ist im Leistungskatalog des GKV Spitzenverbands nachzulesen.
Wie lange dauert eine physiotherapeutische Sitzung?
Die Regelbehandlungszeit beträgt 15-20 Minuten, es gibt jedoch auch Maßnahmen, die 30 (z.B.: Lymphdrainage), 40 (Kohlensäuregasbad) oder 60 (Krankengymnastik) Minuten dauern.